Neben dem Wohnmobil scheint das eigene Segelboot eines der letzten großen Abenteuer zu sein. Oder zumindest das Versprechen auf Abenteuer. Die Segelkurse bei der Bootsschule an unserem Steg in Berlin sind immer ausgebucht und die Gebrauchtbootpreise zwischendurch in astronomische Höhen geklettert. Kaum erzählt man in lockerer Runde von einem Segeltörn, meldet sich schon wieder jemand, der unbedingt eine Auszeit nehmen und um die Welt segeln will. „Warst du schon mal auf dem Meer segeln?“ „Nein.“ „Aha!“ Warum wollen eigentlich alle segeln?
Auch mich hat der Segelvirus zwar relativ spät, aber dafür voll erwischt. Stundenlang kann ich am Steuer oder auf Deck sitzen und die vorbei ziehende Gischt im Wasser beobachten. Ich liebe die Einfahrten in neue, oder auch bekannte Häfen, denn man erlebt eine Stadt ganz anders, wenn man sie übers Wasser erreicht. Das Gefühl, wenn der Motor ausgeht und man nur noch durch die Kraft des Windes vorwärts getrieben wird, ist unbeschreiblich. Ich muss mir nicht mehr die Frage stellen, wie weit mein Hotel vom Meer entfernt ist, denn ich wohne ja auf dem Meer. Ich erlebe aber auch, dass mit jedem neuen Törn der Respekt vor dem Segeln steigt. Wind und Wetter sind unberechenbare Größen und das zu allen Jahreszeiten. Man braucht Vertrauen in das Boot und das Material, denn schnell kann es technische Probleme geben. Mit der Erfahrung steigt die Routine, aber auch die Zahl der herausfordernden Erlebnisse. (siehe Mastbruch auf der Nordsee)
Insofern ist es schon manchmal witzig und verwunderlich zu sehen, wie sich Leute erst mal ein Boot kaufen, um dann anschließend zu testen, ob sie überhaupt seetüchtig sind. Eine Fahrt auf dem Wannsee macht noch keinen Atlantik-Skipper. Leider ist Segeln oft überhaupt nicht so, wie in den Videos von tollen Yachten auf denen schöne Menschen lächelnd Champagner trinken und hübsche Kissen akkurat auf tadellosen Polstern liegen. Auch wenn es bei mir an Bord nicht an schönen Menschen mangelt, so bleibt der Sektkübel so gut wie nie gerade stehen, weil sich so ein Boot nun mal bewegt. Zudem ist man permanent mit putzen beschäftigt, weil Menschen auf Schiffen scheinbar mehr Haare verlieren als sonstwo und sich diese überall ausbreiten. Die ach so ruhige Ankerbucht wird über Nacht zum Wellenbad und an Schlaf ist nicht zu denken.
Nicht umsonst gibt es diesen Spruch: „Ein Segelboot kaufen ist wie angezogen unter der kalten Dusche stehen und 100 Euro Scheine zerreissen.“ Ja, auch ich habe mich schon manchmal gefragt, was ich hier mache, wenn ich frierend im Regen an Deck stand. Wenn wieder irgend etwas nicht funktionierte. Wenn die Duschen im Hafen einer Schimmelzucht glichen.
Und genau dann passiert es wieder: Man sitzt mit Freunden an Deck bei einem Glas Rosé (der Sektkübel wurde abgeschafft) und schaut in den Sonnenuntergang. Man lässt den Tag im Geist an sich vorüber ziehen. Sieht die geblähten Segel, riecht das Meer und spürt den Wind. Dann weiß man wieder, dass man Teil eines der letzten großen Abenteuer ist: Segeln!
Ahoi!
Ich kann jedes Deiner Worte nur bestätigen. Auch die Sache mit dem Putzen. 😀 Aber wer sein Boot liebt, macht auch das gerne.
Dir allzeit fair winds 🖖
Danke! Da hast du völlig recht 😊